Am Sonntag, 23. Juni 2019 wird um 11.15 Uhr ein Stolperstein vor dem Haus Marbachweg 333 verlegt; dieser wird künftig an die Mitglieder der Familie Simon (Lisel, Paul Jacob, Hans und Fritz Simon) erinnern.

Liesel Simon, geb. Goldschmidt, stammte aus Neumarkt in der Oberpfalz. Sie heiratete 1910 den Kaufmann Paul Jacob aus Frankfurt, dessen Familie in der Frankfurter Altstadt ein Geschäft unterhielt. Ihre Söhne Hans und Fritz waren für Liesel Simon der Impuls, mit improvisiertem Puppenspiel anzufangen. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges professionalisierte sie diese Beschäftigung und absolvierte bald Auftritte im ganzen Rhein-Main-Gebiet. Sie ließ drei zerlegbare, transportable Bühnen mit Beleuchtung bauen und engagierte professionelle Schauspieler und Sprecher. Von ihr bearbeitete Kindermärchen und eigene Werke kamen zur Aufführung, der Aktionsradius wurde immer größer, bis ins benachbarte Ausland. Von Anbeginn war Liesel Simon dem neuen Medium Rundfunk verbunden, mit einer regelmäßig ausgestrahlten Kinderstunde im Südwestdeutschen Rundfunk („Radio Frankfurt“). Ihre Stücke wurden auf Schellack-Platten vertrieben.

Dann kam das Jahr 1933: Liesel Simon, erste Frau im Vorstand des „deutschen Bundes der Puppenspieler“, fand sich aus ihrem Amt gejagt und erhielt Auftrittsverbot. Der Sohn Hans verließ 1933 Deutschland und floh über Palästina und Spanien nach Ecuador. Sein Bruder Fritz flüchtete zeitgleich nach Frankreich, wurde Mitglied der Fremdenlegion und arbeitete nach deren Auflösung für die Résistance. Paul Jacob Simon floh 1935 nach Paris.1942, nach der Besetzung durch die Nazis, wurde er verhaftet, im Sammellager Drancy interniert, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Liesel hatte in Deutschland mehrere Verhöre durchzustehen. Schließlich gelang es ihr, eine Buchung für das Flüchtlingsschiff „Navemar“ zu erhalten, das Anfang August 1941 im spanischen Hafen Huelva ablegte – das mutmaßlich letzte Schiff mit jüdischen Flüchtlingen, das im zweiten Kriegsjahr Europa noch verlassen konnte.

Liesel Simon fand in New York Aufnahme bei ihrer Schwester und hatte gleich im Sinn, deutsche Emigrantenkinder mit ihrem Puppenspiel zu unterhalten. Auftritte von ihr sind freilich nicht belegt. Im Frühjahr 1944 verzog sie zu ihrem Sohn Hans, der inzwischen in Quito eine Familie gegründet hatte. Fritz kam 1949 dazu, Liesel fand sich schließlich als Großmutter von acht Enkelkindern und führte für die Kinder von Quito Puppenspiele auf. Über das Schicksal ihres Mannes hat sie wohl erst nach Kriegsende Kenntnis erhalten.

Sie starb 1958, die Söhne Fritz 1972 und Hans 1989. Ihre Enkelinnen vermachten einen Großteil der Puppen 2015 dem Historischen Museum Frankfurt, wo sie im „Liesel-Simon-Kabinett“ präsentiert werden.

Foto und Text: Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e.V., Hartmut Schmidt

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