Es gibt Geschichten im Alten Testament, die sind so grausam und unverständlich wie die Gegenwart. Dazu gehört die Geschichte von Abrahams Versuchung und der Aufforderung, seinen Sohn Isaak zu töten (1. Mose 22). Hier finde sich die dunkle, rätselhafte und verborgene Seite Gottes, sagt Sabine Kistner in ihrer Predigt am ersten Sonntag der Passionszeit.

Die Prädikantin geht gegen Gott an und fragt: Hast Du das nötig Gott? Was ist das für ein Vertrauen, was ist das für ein Glauben, der geprüft werden muss? Man übertrage das mal auf die Liebe und wir merken sofort, wie abstrus das ist: Liebe, die einen Beweis nötig hat und eine Prüfung einfordert, ist keine Liebe mehr.  

Und diese krasse Geschichte, bei der die Hörer am liebsten nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren verschließen, stellt auch Abraham in ein schwieriges Licht: Was ist das für ein Vater, der anscheinend anstandslos bereit ist, seinen Sohn zu töten?! 

Dann aber blickt Sabine Kistner von der Zeit Abrahams in unsere Gegenwart und zeigt, dass das Grundmuster dieser Geschichte nicht in dem Maße aus unserer Welt verschwunden ist, in dem wir es uns eigentlich wünschen würden. Sie nennt Kindersoldaten mit einem Maschinengewehr in der Hand und die kürzlich in Darmstadt geschehene Bluttat an einer 19-jährigen Tochter, weil sie den falschen Mann geliebt hat. Und vielen, viel zu vielen Kindern wird die Kindheit geopfert auf dem Altar von Ehrgeiz und Leistungsdruck. 

In einem kühnen Bogen schaut die Predigerin die Geschichte neu an: Ich will und ich muss versuchen, ihr das Evangelium abzuringen. Und das reicht dann auch weiter, in die gelebte Gegenwart hinein. So will sie Tag für Tag versuchen, der Wirklichkeit und meinen Erfahrungen das Evangelium, das Leben abzutrotzen - auch wenn da nichts mehr zu verstehen ist: Wo ich Menschen loslassen muss und niemals gefragt wurde, ob ich das will. Da wo ich vor den Grausamkeiten der Kriege oder im Elend auf der Straße vor der eigenen Haustüre nur noch schreien möchte.

Das Dunkle lässt sich nicht ausfiltern aus Gott. Wenn sie stattdessen eine göttliche Gegenmacht konstruieren würde, überlegt die Prädikantin, eine Macht, der ich dann alles Dunkle zuschustere, würde sich auch der Gott der Liebe verflüchtigen. 

Abraham habe die Prüfung nicht bestanden, er sei durchgefallen, bemängelt Sabine Kistner. Denn Gott will das Nein, das Nein der Liebe, nicht blinden Gehorsam, sondern Vertrauen, ein Vertrauen ins Leben.

Hier könnte sich der Gedanke anschließen, dass Gott eben doch nicht unwandelbar ist. Weil er Liebe ist und Schöpfer des sich im Kreislauf der Natur, von Tag und Nacht, stets erneuernden Lebens. Und diese sind auch stets in Veränderung, in Bewegung, unterwegs auf einem Weg.

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