Ohne Angst leben - so lautet das Motto des christlichen Pfingstgottesdienstes auf dem Römerberg. Aber dann stellt Pröpstin Gabriele Scherle fest, dass es viele gute Gründe gibt, Angst zu haben: Von einem Moment auf den anderen kann diese Welt ver-rückt werden. Es brauche nicht viel, dass alles, was uns lieb sei, in einen Abgrund gerissen werde. Wer keine Angst hat, dem ist auch nichts im Leben heilig. So erlebten es mutige Christen, die sich vor 80 Jahren in der Barmer Theologischen Erklärung gegen "die falsche Lehre" wandten, "als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden".Wir haben auch heute, 2014, Grund zur Angst, sagt Gabriele Scherle in ihrer Predigt. Sie nennt die Kriegsgefahr in der Ukraine.

Dann spricht sie von der Abschottung Deutschlands und Europas gegenüber der Not von Flüchtlingen aus Afrika. Befreit von der Angst, alles vorher abzusichern, habe die Gottesdienstgemeinde am Reformationstag 2013 in Cantate Domino ein Zeichen gesetzt und 22 afrikanische Flüchtlinge aufgenommen. Dies finde jetzt seine Fortsetzung, wenn Gemeinden verfolgten Menschen Kirchenasyl gewährten, sagte die Pröpstin. Wir Christen erwarten eine Welt, in der alle Menschen aus Nord und Süd, aus Ost und West, das gleiche Bürgerrecht haben und an Gottes gedeckten Tisch Platz nehmen.

Kirche stehe dafür ein, dass Gott nicht nur alle Völker, sondern auch alle Geschlechter an diesem Tisch zum hochzeitlichen Festmahl begrüßen werde, führt Gabriele Scherle in ihrer Predigt weiter aus. Ich bin überzeugt, dass Gott uns dort bei den Tischgesprächen zum Lachen bringen wird über unsere engherzigen Versuche, Lebensbündnisse von Menschen zu diskriminieren. Deshalb habe die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) auch beschlossen, nicht nur heterosexuelle, sondern auch schwule und lesbische Paare in Traugottesdiensten zu segnen.

Es könne nicht darum gehen, eine verletzliche und brüchige Welt schönzureden, sagt die Pröpstin. Die Pfingstbotschaft sei daher mit den Worten Jesu Christi ganz auf diese Realität gerichtet: "In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33). Dieser Geist ergriff die Christen beim ersten Pfingstfest so sehr, dass sie für verrückt gehalten wurden. An Pfingsten öffnet sich der Himmel, eine neue Welt tut sich auf. Gabriele Scherle ruft die auf dem Römerberg zusammengekommene Gemeinde dazu auf, mutig zu sein, wenn aus den Brüchen unserer Zivilisation und der eigenen Lebensentwürfe die Macht der Zerstörung empor bricht.

 

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