Pilgern ist quer zum Alltag, vielleicht ein bisschen unpassend. Was es so ganz genau ist, weiß keiner der 18 Menschen, die am Samstagmittag zum 2. Konfi-Pilger-Tag der Dornbuschgemeinde aufbrechen. Das liegt vielleicht auch daran, dass das ganze Leben eine Pilgerschaft ist, dass es offen ist und dass wir das Ziel nicht kennen.

Aber es gibt eine Orientierung, ein Navi: Psalm 23. Der Pilgerweg beginnt in Kalbach. Pfarrerin Annika Marte bleibt stehen und spricht den ersten Vers:

Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. 

Annika lädt dazu ein, die Augen zu schließen, still zu werden und zu lauschen. Gerade noch haben wir die Bewegung der U2 gespürt, auf dem Weg von der Haltestelle Fritz-Tarnow-Straße, vorbei an der Riedwiese zum Rand der großen Stadt. Jetzt sind andere Geräusche da. Eine Kohlmeise ruft, leise plätschert der Kalbach.

  

Pilgern ist gar nicht so einfach. Sich auf die Gegenwart einlassen, ist nicht einfach. Schließlich haben wir am späten Nachmittag noch was vor. Auf dem Smartphone blinkt eine SMS. Und eigentlich würde ich jetzt lieber den neuen Titel von Shakira hören. Nun denn, heute halt mal pilgern. Der Weg führt zum Alten Flugplatz Bonames und zum Psalmvers:

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

 

Manchmal ist keine Straße mehr da. So laufen wir durch Büsche, teilen uns auf, ohne uns zu verlieren, finden uns alle wieder auf einem Hügel, entstanden aus den Platten einer anderen Zeit.

 

 

Und wir sind nicht allein auf der Welt. Auf einmal ist noch ein anderes Geschöpf da:

   

Wo Wasser ist, ist auch Leben. Das verspricht auch unser Wegweiser, Psalm 23:

Er weidet mich auf grüner Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.

Wie fühlt sich erquickend an? fragt Annika die Konfis. Das Nidda-Ufer ist eine grüne Au. Mit weißen und blauen Tupfern. Die Veilchen blühen und der Hohle Lerchensporn. Oft kennen wir gar nicht mehr die Namen der Blumen, haben in der Stadt die Berührung zur Natur verloren. Dabei schenkt uns die Schöpfung unser täglich Brot, tägliche Nahrung. Wie es der Psalm verheißt:

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.

  

Der Himmel ist bedeckt, an der Autobahnbrücke ist es dunkel, in ihrer Unterführung ist es kühl. 

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab trösten mich. 

Die Nidda ist manchmal ein fröhlicher, manchmal ein trauriger Fluss. Lange beklemmend aber soll er nicht sein.

Denn dann wird es wieder hell, und die Pilger werden am Rand der Rapsfelder in gelbes Licht gehüllt.

Aus Raps entsteht Öl, heilendes Öl. Im Psalm 23 ist das einer der schönsten Verse:

Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

Der Pilgerweg nähert sich der Stadt. Auf einmal ist ein Ball, ist Bewegung da. Deren, dessen Bestimmung ist so offen wie unsere Zukunft. Manchmal werden wir getrieben wie auf einem Fluss. Ein anderes Mal können wir selbst wieder eine neue Richtung suchen. In Zuversicht, denn der Psalm sagt:

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

 

Was bedeutet das, Gutes und Barmherziges zu erfahren? Zur letzten Station halten die Pilger an alten Pappeln inne. Sie sind beschnitten, zwischen Straße und Haus eingeengt, und haben doch alles, um zu wachsen, und im Frühling neue Blätter und Triebe hervorzubringen. Der Pilgerweg entlässt die Konfis zurück in ihren Alltag, mit Blick auf die nächsten Stationen ihrer Gemeinschaft, hin zur Konfirmation. An der Dornbuschkirche sind 9,4 Kilometer zurückgelegt, in dreieinhalb Stunden. Vielleicht sollten wir uns öfter ein Beispiel nehmen an ihr:

 

 

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