Es ist ein schönes Gefühl, im Orgelnachspiel eines guten Gottesdienstes den Schlussakkord zu empfinden: Jetzt verlassen wir diesen besonderen spirituellen Raum und treten in einen anderen Raum ein, vielleicht in ein Gespräch mit der Sitznachbarin oder aber schnell nach Hause, weil der Sonntag noch was anderes mit uns vor hat.

Aber an den vier Sonntagen im Februar könnte es sein, dass das Orgelnachspiel plötzlich abbricht, mitten im Stück. Dass wir dann nicht auf dem festen Fundament eines Schlussakkords aufstehen, sondern mit einem Gefühl der Leere. Denn die Organistin Anna Linß spielt in diesen Februar-Gottesdiensten Bachs Toccata in d-Moll (BWV 538), genannt die dorische Toccata, nur bis zu dem Takt, für den es vorher eine Zuwendung der Gottesdienstbesucher gab: Zwei Euro pro Takt. Diese besondere Sammlung für die kirchenmusikalische Arbeit am Dornbusch startet im Gottesdienst am kommenden Sonntag. Dann werden die ersten Takte "verkauft", gegen eine Urkunde, welche die besondere Beziehung zu einem ganz bestimmten Takt dokumentiert.

"Ich spiele die Toccata nur so weit, wie sie an dem jeweiligen Sonntag zum Zeitpunkt des Orgelnachspiels verkauft ist", erklärt Anna Linß. "Natürlich kann man vor und nach dem Gottesdienst immer noch Takte kaufen, insgesamt sind es 99 Takte, die dann hoffentlich im Gottesdienst am 23. Februar um 18 Uhr alle erklingen können." 

Die Dornbusch-Organistin ist gespannt, wie diese Aktion "takt-voll" ankommt. Sie will so darauf aufmerksam machen, dass die regulären Mittel für die kirchenmusikalische Arbeit eng begrenzt sind. Und dass kreatives Musizieren in der Kirche deswegen zunehmend auf Spenden angewiesen ist - auch jenseits der takt-vollen Toccata. Anna Linß sorgt sich ein wenig: "Was passiert, wenn wir keine Takte verkaufen? Und ich im Februar gerade mal 4 Takte als Orgelnachspiel spielen kann?" Und was ist, wenn beim dritten oder vierten Mal alle schon den Anfang des Stücks kennen? Und vielleicht mitpfeifen? Das wäre gar nicht so schlimm, meint sie. "Denn man liebt ein Musikstück immer mehr, wenn man es gut kennt." Und dies hat dann die Liebe zur Toccata auch mit der Liebe unter Menschen gemeinsam.

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