Alle Jahre wieder: Die Engel dürfen in den Himmel, die Hirten müssen ihr Schicksal auf Erden weiter ertragen. Und für den neugeborenen Jesus geht die Sache auch nicht gut aus. Dem wundervollen Geschehen in der Nacht von Bethlehem folgt unweigerlich der Konflikt mit den Herrschenden und der Tod am Kreuz. 

Aber in diesem Jahr ist die Geschichte neu, die von den Krippenspiel-Kindern und Pfarrerin Annika Marte im Gottesdienst gespielt wird. Die Menge der himmlischen Heerscharen zeigt sich solidarisch mit leidenden Menschen und spricht: Diesmal fahren wir nicht gen Himmel. Diesmal bleiben wir da und sehen mal nach, wie es den Hirten so geht.

Ein Hirte antwortet: Ach weißt Du, ich bin froh über eure Ankunft. In manchen Nächten halte ich die Kälte einfach nicht mehr aus. Jede Nacht draußen. Keiner kümmert sich um uns. Die Finger verfroren, das tut ja so weh.

Der Engel fragt: Hast Du denn kein Zuhause? 

Der Hirte antwortet: Nee. Da bin ich abgehauen. Vor langer Zeit schon. Da kann ich mich nicht mehr blicken lassen. Jetzt schlag ich mich so durch die Lande.

Der Engel hilft, schenkt Unterkunft, Wärme, Trost: Jetzt komm erst mal mit mir. In dem Stall mit der Krippe ist es warm. Innen und außen. Da kannst Du 'ne Weile bleiben. Wenigstens für diese Nacht. Hab keine Angst. 

Ein anderer Hirte sagt: Ich finde die Kälte auch schlimm. Aber noch schlimmer ist die Einsamkeit. 

Der Engel weiß: Diese Nacht wird es anders sein. Jetzt gerade bist Du nicht allein. ich bin doch bei Dir. Hier.

Und noch ein Hirte klagt: Ohne Haus und ohne Geld, Randerscheinungen sind wir. Schon da, aber immer am Rand. Und die meisten Menschen geh'n an uns vorbei. Als würden sie uns nicht sehen. Als würde ich nicht da sein. Unsichtbar.

Nun erkennen die Engel: Irgendwie sind wir dieses Jahr viel mehr in die Geschichte verwickelt als letztes Jahr. Sie kommen da nicht mehr raus aus der Nummer. Denn da ist ja auch dieses Kind. Und damit ist alles anders geworden.

Die Krippe ist mitten unter uns: Auf einmal sind Papierflieger in der Luft, gefaltet aus den Anträgen von Ausgeschlossenen in den Gängen des Arbeitsamts oder der Ausländerbehörde. Und auch die, denen die Arbeit zu viel ist, stehen an der Krippe: Überforderte hörten auf mit ihrer Raserei. Jetzt stehen sie draußen in der kühlen Nacht und frieren ein wenig. Klangfetzen wehen zu ihnen herüber. Stimmengewirr, Lieder, Musik. Irgendwo in der Nähe feiern sie ein Fest. Noch ahnt keiner, wie in dieser Nacht viele aufgestanden sind. Mitten im Satz haben sie den Wirtschaftsweisen das Wort genommen und das Gerede einfach abgeschaltet.

So wird Weihnachten Gegenwart. Mit der Einladung: Kommt her! Wenn einer geboren wird, der sagt: Diesmal reicht es für alle. Da sind sie gelaufen. Jetzt tanzen sie, Überflüssige, Überforderte, wie auch immer. Und keiner will mehr haben als das Leben.

Und das Leben ist erschienen mitten unter ihnen.

 

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