Pfrn. Tina Greitemann:

Wie wird das werden? So habe ich mich gefragt, als ich schon vor vier Wochen für unsere WAD einen Artikel zu Pfingsten schreiben sollte. Wie wird das werden: Ein Festgottesdienst zum Pfingstfest, bei dem die Begeisterung für den Glauben überspringen soll – aber eben nichts überspringen darf. Kein Tröpfchen, kein Windhauch, denn überall lauern Coronaviren. Abstand ist geboten. Singen ist verboten. Wie soll das werden?

Das mit dem Singen ist mir persönlich am schwersten. „Ich komme erst wieder in die Kirche, wenn man singen darf“, sagten manche, und ich kann sie so gut verstehen.

Es waren noch ein paar Tage hin, bis der Pfingsttag gekommen war, als Anja Harzke und ich mit viel Abstand im großen Saal zusammen saßen und die Pfingstgeschichte aus der Bibel lasen.

 

Es kam kein Brausen vom Himmel, kein Feuer auf unseren Köpfen und  auch kein Sturm. Aber als wir uns ausmalten, wie die Menschen in anderen Sprachen predigten, wie der Geist ihnen zu reden eingab, da kam es uns wie ein Geistesblitz: Was wir zum Singen brauchen, ist eine andere Sprache. Eine Sprache, bei der nichts aus dem Mund heraus kommt, bei der keine Viren überspringen können, und doch alle verstehen, was der Geist uns eingibt. Pfarrerin Esser- Kopp hat eine solche Sprache gelernt und mit ihrer Hilfe werden wir heute doch singen können.

Danke, Christiane, dass Du hier bist und uns die Worte in Gehörlosensprache beibringst, die wir brauchen, um das Lied: Komm heilger Geist, mit deiner Kraft zu singen.

Lied EG +34, "Komm heiliger Geist"

 

Pfrn. Anja Harzke:

Ja, da saßen die Jünger und Jüngerinnen beisammen, traurig und mutlos. Der, der ihnen soviel Hoffnung und Mut gegeben hatte, ihnen neue Ideen ins Herz gepflanzt hatte und gezeigt hatte, wie ein gutes Leben aussehen kann, eines, das sich zu leben lohnt, mit Gott an ihrer Seite. Nun war er weg, er hatte sie verlassen und hatte nur gesagt: Ich will euch einen schicken, der euch tröstet, euch Mut macht und miteinander verbindet . Tja, schöne Worte, dachten sie sich, und nun? Hier sitzen wir, allein und voller Angst vor der Zukunft.

Doch dann geschah etwas merkwürdiges. Etwas begann in ihnen zu leuchten,  ja zu brennen. Plötzlich war da keine Leere mehr und keine Verzagtheit- da loderte etwas in ihnen auf, sie erkannten, dass sie nicht allein waren, dass Gott bei ihnen ist. Die Dunkelheit war aus ihrem Herz verschwunden, sie waren so angefüllt von der Botschaft, die Jesus ihnen immer wieder erzählt hatte. „Seid mutig und frei, seid getrost! Gott ist bei euch, geht in die Welt und erzählt allen davon“ Und das taten sie. Sie verließen ihr enges Versteck und liefen auf die Straßen und Plätze. Sie konnten gar nicht anders, als davon zu erzählen.

Sie erzählten allen, dass Gott sie frei gemacht hat, dass wir keine Angst zu haben brauchen und wir alles bei Gott abladen können.  Dass selbst der Tod keine Macht mehr hat- sondern Christus. Durch ihn sind wir frei sind von Angst und Hass und Neid.

Das hörten die vielen Menschen aus aller Welt , die zu Schawuot dem großen Ernte- und Wallfahrtsfest, nach Jerusalem gekommen waren- und sie verstanden die Jünger!

Sie hörten die Reden der Jünger in ihrer jeweils eignen Sprache. Es gab keine Missverständnisse mehr. Aber auch großes Erstaunen- was will das werden- wie kann das sein? Die da reden sind doch alle aus Galiläa- wieso höre ich sie in meiner Sprache? Das ist doch unmöglich.

Ist es das? Wir alle wissen, dass es nicht so einfach ist, sich zu verstehen, man kann aneinander vorbei reden und sich gründlich falsch verstehen- selbst wenn man die gleiche Sprache spricht- und noch viel mehr Möglichkeiten der Missverständnisse gibt es, wenn man aus unterschiedlichen Ecken der Welt kommt und aus ganz andere Sprachen und Kulturen stammt.

Doch Gottes Geist kommt, er ergreift und er weht- und er weht, wo er will . Er hilft einander zu verstehen. Er bewegt etwas in uns und er kann uns wie ein Sturm mitreißen. Gottes Geist begeistert. Ist es nicht immer wieder auch ein Zeichen Gottes, wenn wir uns nach Streit und Missverständnis plötzlich verstehen? Wenn wir von etwas mitgerissen und begeistert sind? Herausgerissen werden aus unsrer Trägheit und Lauheit- wenn wir ergriffen und begeistert sind von einer Musik, einer Idee, einem Menschen – und  wenn wir für etwas einstehen und für andere Menschen. Wenn wir für etwas Gutes kämpfen, gegen Gewalt, für das Miteinander aller- völlig egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Religion Sprache. Gottes Geist überwindet all das

Für mich ist das der Geist Gottes, wenn wir den Schritt aufeinander zu wagen- auch ohne Absicherung. Wenn wir unsere Türen öffnen, als du und ich, aber eben auch als Gemeinde und als Kirche. Wenn wir nicht in unserem Kämmerlein und eignen vier Wänden bleiben, sondern etwas wagen, aus den allzu eingefahrenen Wegen und den Absicherungen in alle Richtungen ausbrechen und auf andere zugehen- dann sind wir Kirche- Kirche für andere.

Neue Sprachen lernen ist etwas Wunderbares- wenn man irgendwann merkt, dass man sich nun wirklich mit jemandem verständigen kann, mit dem das sonst nicht möglich gewesen wäre. Wenn eine SchülerIn das erste Mal versteht, dass sie mit dem trögen Lernen der Fremdsprache plötzlich im fremden Land wirklich mit jemanden reden kenn. Das ist wie ein kleines Wunder.

Wir haben in den letzten Wochen viele Schritte gewagt und getan.  Schritte hin neue Sprachen und Neues zu lernen. Wir haben gelernt Gottesdienste und Andachten auf Video aufzunehmen und Filme zu schneiden. Viele haben gelernt Konferenzen, Meetings, Gruppentreffen und Unterricht auf dem Bildschirm abzuhalten. Es gab Orchester und Chöre, die jeder für sich gesungen und gespielt haben und dann zusammengefügt wurden zu einem Zusammenklang. Auch zwischenmenschliche Sprachen musste neu ausprobiert und gelernt werden. Zuneigung und Liebe über den Bildschirm und mit Briefen, mit whatsapps, mit Abstand und Blicken ausdrücken, der Fußgruß, Gemaltes und Gesungenes – so viel Kreatives war und ist dabei – neue Sprachen der Liebe, neue Sprachen um auszudrücken, dass wir verbunden und füreinander da sind.

Und das ist eine Erkenntnis dieser Zeit- Liebe verbindet über alle Abstandregeln, alle räumliche Trennung, alle Bildschirme hinweg. Auch die Taube, die heute an vielen Stellen von Kindern und Jugendlichen mit Sprühkreide aufgesprüht wurde, ist ein Ausdruck davon

So wie wir es gerade mit Gebärden gesungen haben und nun in der dritten Strophe singen: Schenke uns von deiner Liebe, die vertraut und die vergibt. Alle sprechen eine Sprache, wenn ein Mensch den andern liebt.

Dann ist Gottes Geist mitten unter uns. Amen

Lied EG +34,3

(Foto Taube: Kirchenarchiv)

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